Einmal im Jahr bietet das Kinder- und Jugendhospiz Balthasar das Geschwisterwochenende für die Geschwister der unheilbar erkrankten Kinder und Jugendlichen an. Auch in diesem Jahr trafen sich zehn Jungen und Mädchen zwischen acht und zwölf Jahren in der Olper Jugendherberge, um sich auf spielerische Art und Weise mit ihrer besonderen Lebenssituation auseinanderzusetzen. Schwerkranke oder sogar verstorbene Geschwister zu haben, bedeutet auch für die gesunden Kinder eine enorme seelische Belastung. Oft müssen sie ihre Eltern entbehren, weil die mit ihrer ganzen Sorge und Aufmerksamkeit notwendigerweise bei den erkrankten Kindern sind. Die gesunden Geschwister stehen an zweiter Stelle, müssen ihre Fragen und Sorgen mit sich selbst ausmachen und können positive wie negative Erlebnisse mit niemandem teilen. Allein die Erfahrung „Ich bin nicht allein in dieser Situation; es gibt auch andere Kinder, denen es ähnlich geht“ ermöglicht es beim Geschwisterwochenende, Vertrauen zu fassen und sich über die familiäre und emotionale Situation auszutauschen, in der die Kinder sich befinden. Außerdem entsteht durch die Verbundenheit mit den anderen betroffenen Kindern Zuversicht und Hoffnung, dass man seine Situation irgendwie meistern kann, da andere aus der Gruppe vielleicht auch gut damit umgehen können.
So ging es am vergangenen Wochenende nicht nur um das Gemeinschaftserleben, das durch kooperative Spiele, erlebnispädagogische Einheiten, Grillabend und Stadtausflug gestärkt wurde. Zugleich sollten die jungen Teilnehmer immer wieder behutsam zur Auseinandersetzung mit ihren Gefühlen angeregt werden. Das Thema des diesjährigen Geschwisterwochenendes lautete „Brücken schlagen“. Es ging darum, eigene Stärken und Ressourcen zu entdecken und mit ihnen eine Brücke zu bauen, die einen Ausweg aus der belastenden Situation aufzeigt.
Dazu sammelte jedes Kind zunächst für sich die Gefühle, Umstände und Erfahrungen, die es bewegt. Viele Kinder äußerten Ängste und Sorgen: „Ich habe Angst, dass meine Schwester stirbt.“, „Ich mache mir Sorgen um meine Mutter.“, „Ich habe Angst vor dem Tod.“, „Ich trauere um meinen Bruder.“, „Ich habe Angst, dass ich niemanden zum reden habe.“, „Ich habe Angst, dass ich ein Außenseiter bin und keine Freunde habe.“ Diese negativen Empfindungen schrieben die Kinder auf Papiersteine, die auf ein zuvor gemaltes Landschaftsbild geklebt wurden.
In einem zweiten Schritt konzentrierte sich jedes der Kinder auf Fähigkeiten, Eigenschaften und Menschen, die es dabei unterstützen, sich diesen Herausforderungen immer wieder zu stellen, z.B. Familie, Freunde oder Freizeit. Aus diesen positiven Lebensbausteinen gestalteten die Kinder auf dem großen Schaubild eine gemeinsame, farbenfrohe Brücke, die über die negativen, belastenden Steine führte.
Anhand dieses Bildes erkannten sie schnell, dass jeder von ihnen schwere Seiten in seinem Leben hat, aber dass es immer auch Dinge, Menschen, Umstände, eigene Fähigkeiten und Ressourcen gibt, die ihnen dabei helfen, getragen zu werden. Die negativen und schwierigen Aspekte wurden nicht ausgeklammert, sondern bewusst mit in das gemeinsame Bild einbezogen, um ein Verdrängen zu verhindern und zugleich den Fokus auf das Stärkende zu lenken.
In weiteren Kreativangeboten konnte jedes Kind einen oder mehrere eigene Natursteine gestalten, auf denen sowohl Negatives wie auch Positives Platz hatte. Beides gehört zum Leben und kann und darf nebeneinanderstehen. Auch eigene Brücken wurden gemalt und gebastelt, um zu symbolisieren, dass man Halt finden kann, wenn man das Gefühl hat zu fallen.
Gerade kreatives Arbeiten ist in der Trauerarbeit mit Kindern ein sehr wichtiger Baustein. Es hilft, Gedanken und Emotionen auszudrücken, die man im Alltag meistens nicht zulässt. Durch das praktische Tun entdecken die Kinder Wege und Möglichkeiten, mit ihrer Lebenssituation umzugehen und das anschauliche Ergebnis zeigt, dass sich dadurch tatsächlich etwas verändern kann.
„Es war beeindruckend und sehr bewegend zu erleben, wie tief die Auseinandersetzung der Kinder ging und wie offen sie sich ihren Gefühlen gestellt haben. Dabei fand ich es überaus mutig, wie die Kinder ihre Ängste auch in der Gruppe zugelassen und gemeinsam an ihnen gearbeitet haben“, resümiert Familienbegleiterin Marion Riese das Geschwisterwochenende. Und ihr Kollege Christopher Luig ergänzt: „Die Kinder gehen jedes Mal gestärkter nach Hause und die Rückmeldungen zeigen, dass sie das Gelernte tatsächlich in ihren Alltag einbeziehen können.“