Der achtjährige Simon* ist bereits seit 5 Wochen im Kinderhospiz Balthasar. Er hat einen Hirntumor. Die Musiktherapie hilft dem Jungen, seine Krankheit auch ohne Worte auszuhalten. „Bei Simon ist Ablenkung eines meiner Ziele“, erklärt Miriam Ludes-Westermann, Musiktherapeutin im Kinder- und Jugendhospiz in Olpe. Gemeinsam erfinden und singen sie Lieder von Sonne, Strand und Urlaub und von Begegnungen oder Situationen mit lieben Menschen. So schaffen sie Erinnerungen an eine schöne Zeit. „Mit diesen Liedern kann sich Simon nicht nur an schöne Orte träumen, sondern auch in schönere Zustände. Zustände, in denen es ihm gesundheitlich gut geht und er keine Sorgen hat.“ Für Simon sind die Stunden mit Miriam Entlastung vom Alltag und dessen Sorgen. Er freut sich schon im Vorfeld auf ihre Besuche.
Ein Mal in der Woche kommt Miriam Ludes-Westermann in das Kinder- und Jugendhospiz Balthasar, um mit den erkrankten Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Oft werden auch andere Familienmitglieder einbezogen. „Musik wird bei jedem so eingesetzt, wie sie gebraucht wird“, beschreibt sie. „Ich kann meine Therapiestunden nicht vorbereiten. Es ist wichtig, die Kinder und Jugendlichen zu beobachten und sich einfach auf das einzulassen, was sie mir vorgeben.“
Marie ist Simons kleine Schwester. Alles dreht sich immer um ihren Bruder. Manchmal steht sie schüchtern auf dem Flur und lugt vorsichtig durch die Glastür, wenn Simon und Miriam zusammen Musik machen. Oft holt die Musiktherapeutin die Fünfjährige dann dazu. Jeder bekommt sein Solo und Miriam legt die Gefühle der beiden Kinder in die zuvor besprochenen Texte. Sie singt: „Ich bin Simon und ich liebe meine kleine Schwester sehr. Aber oft geht sie mir auf die Nerven, weil sie mich nicht in Ruhe lässt.“ Und andersherum: „Ich bin Marie und immer traurig, weil sich alle nur um Simon kümmern. Dabei hab ich ihn doch so gern und möchte mit ihm spielen.“ Die Therapeutin spricht aus, was Simon und Marie fühlen. Marie lächelt nach den gemeinsamen Stunden, denn sie hat gehört, dass ihr Bruder sie mag. Auch Simon fühlt sich verstanden. Er bemerkt, wie sehr seine Schwester ihn sucht und teilhaben will an seinem Leben.
Musik ist ein nonverbales Medium, das auch schon kleine Kinder verstehen. Musik kann Lebensfreude zurückgeben, physische und psychische Anspannungen lösen, Schmerzen reduzieren, die Atmung regulieren und Ressourcen erhalten. Besonders in der Arbeit mit unheilbar kranken Kindern und Jugendlichen und ihren Familien geht es auch um Trauerverarbeitung, Familientherapie, Stabilisierung und Lebensfreude, sowie vor allem um Kommunikation und Kontaktaufnahme.
Musiktherapie ist ein gegenseitiges Lernen. Zwischen Kind und Therapeutin entsteht eine sehr enge Interaktion. Wer Miriam Ludes-Westermann bei ihrer Arbeit mit den schwerkranken Kindern und Jugendlichen beobachtet, spürt die Wirkung der Musiktherapie. „Musik ist grenzenlos, sie bietet so unendlich viele Möglichkeiten“, schwärmt sie. „Ich liebe diese Arbeit.“
*Namen geändert